Geschichte der Kleinen Münsterländer im Mutterland Deutschland
Hunde spielten in Europa und natürlich auch in Deutschland seit vielen Jahrhunderten eine wichtige Rolle für den Erfolg bei der Jagd. Jäger waren in vergangenen Jahrhunderten vor allen Dingen Adelige, die Jagd hatte in dieser Zeit eine hohe gesellschaftliche Anerkennung. Sie erforderte großen Grundbesitz, auf dem gejagt werden durfte, Mut und Geschicklichkeit bei der Verfolgung und Erlegung des Wildes und war insgesamt eine herausfordernde, abwechslungsreiche Freizeitbeschäftigung. Gute Jagdhunde hatten dadurch einen sehr hohen Stellenwert – ähnlich den Greifvögeln, die heute noch bei vermögenden Arabern für die Beizjagd gehalten werden und für einen normalen Bürger kaum bezahlbar sind. In Deutschaland waren vor allem Schweiß- und Stöberhunds gefragt. Diese wurden durch speziell ausgebildetes Personal in großen Zwingern ausgebildet und betreut.
Eine planmäßige Jagdhundezucht entstand jedoch erst Mitte des 19. Jahrhunderts. So auch bei den Kleinen Münsterländer. Zwei Züchter sind dokumentiert, die systematisch KlM in ihren Zwingern gezüchtet haben: der Schullehrer Heitmann aus Burgsteinfurt im Münsterland und der Jagdaufseher Wolberg aus Dorsten im Münsterland. In Ihren KlM floss das Blut jahrhundertealter norddeutscher Stöber- und Vorstehhunde. Vermutlich steckten auch Kreuzungen mit belgischen und französischen Epagneuls und Spaniels in ihren Blutlinien.
Diese beiden Zuchtstämme, der etwas zierliche Heitmann´sche Stamm und der kräftigere Wolberg´sche Stamm, bildeten die Grundlagen für die Rasse „Kleine Münsterländer“. Dokumentiert sind die Geschwisterpaare „Boncoeur“ und „Herta von Lohburg“ vom Heitmann-Stamm sowie „Rino-Hervest“ und „Mirza I-Hervest“ vom Wolberg`schen- (Dorstener-) Stamm.
Die Kleinen Münsterländer waren mittelgroß, langhaarig, intelligent und arbeiteten unermüdlich im Feld, im Wasser und im Wald. Sie waren passionierte Stöberer auf der Suchjagd und zuverlässige Apportierer. Es dauerte noch circa 50 Jahre, bis sich die Rasse bei den Jägern soweit durchsetzen konnte, dass 1912 eine Rasse-Zuchtorganisation mit dem Namen „Verein für Kleine Münsterländer Vorstehhunde (Heidewachtel)“ gegründet und das Zuchtbuch aufgebaut werden konnte.
Die Zuchtauswahl wurde in dieser Zeit bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts überwiegend pragmatisch gemacht: gezüchtet wurde in erster Linie mit sehr guten Hunden, die aus der Region kamen und wegen ihrer Leistungsfähigkeit auf der Jagd bekannt waren. Diese Methode hatte große Vorteile, Züchter und Deckrüdenbesitzer kannten sich sowie ihre Hunde von der Jagd. So waren die praktischen Stärken und Schwächen konkret bekannt und die Paarungen konnten entsprechend abgestimmt werden.
Edmund Löns, ein Bruder des berühmten Schriftstellers Hermann Löns, war ein sehr engagierter Züchter und Liebhaber der Kleinen Münsterländer. Er machte die Rasse durch zahlreiche Beiträge in der Jagdpresse in Deutschland und über die Grenzen hinaus bekannt und förderte auf diese Weise sehr die rasche Verbreitung der Rasse. Auch brachte er 1927 die Braunschimmel in die Zucht, welche bis dahin nur braun-weiße Hunde anerkannte. Ihn hatte eine braunschimmelige Hündin mit ihrer Intelligenz, Passion und Selbständigkeit so fasziniert, dass er sie erwarb und als Zuchthündin einsetzte. Diese Farbe konnte sich durchsetzen und wurde 1929 ebenfalls als zulässige Farbe vom Verband offiziell anerkannt. Die genetische Kraft dieser Farbe zeigt sich darin, dass sie sich bis heute bei fast der Hälfte aller Keinen Münsterländer durchgesetzt hat.
Edmund Löns und Dr. Friedrich Jungklaus hatten bis 1921 Rassemerkmale für die Kleinen Münsterländer formuliert und veröffentlicht, welche die Grundlage für die weitere Zuchtentwicklung bildeten. Die Rassemerkmale und die Leistungsanforderungen wurden jedoch erst 1936 durch den Verband beschlossen und für längere Zeit festgeschrieben.
Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts (1899) kümmerte sich bei den deutschen Jägern eine spezielle Organisation um die Entwicklung von Prüfungsordnungen für Jagdgebrauchshunde: der „JGHV“ (Jagdgebrauchshundverband). Hier wurden die Leistungsanforderungen für die verschiedene Jagdhunderassen festgelegt. Damit konnten Jagdhunde für die Eignung auf der Jagd und für die Zucht systematisch und vergleichbar bewertet werden. Schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurden in England und später in den romanischen Ländern Prüfungsordnungen entwickelt und noch heute praktiziert. Hier standen und stehen jedoch die Arbeiten im Feld im Mittelpunkt (Field Trials). Für den Jagdeinsatz der Hunde im Wald und im Wasser, zur Feldarbeit oder beim Apportieren bevorzugte man in diesem Teil Europas eher die Spezialisten. Daran hat sich bis heute nicht viel verändert. In Deutschland führten die Jäger dagegen eher die vielseitigen Jagdhunderassen, wie z.B. auch die Kleinen Münsterländer, da in den meisten Revieren diese verschiedenen Einsatzgebiete gefordert wurden. War bei diesen Rassen einmal die Vielseitigkeit genetisch gefestigt, so ließen sich die meisten Hunde bei der späteren Arbeit auch leicht spezialisieren und zu konkurrenzfähigen Könnern heranbilden. Die Vielseitigkeit ist seither ein zentrales Rassemerkmal der kontinentalen Vorstehhunderassen und damit auch für die Kleinen Münsterländer. Seit 1936 gelten für die Zucht der Kleinen Münsterländer die JGHV-Prüfungsordnungen. Bis heute sind noch die bestandene Verbands-Jugendprüfung (VJP) im Frühjahr sowie die bestandene Herbstzuchtprüfung (HZP) im Herbst unerlässliche Voraussetzungen für die Zucht. Für die Auslesezucht brauchen beide Elternteile einer Zuchtpaarung unter Berücksichtigung weiterer Details zusätzlich die bestandene Verbandsgebrauchsprüfung (VGP).
In den Jahrzehnten bis 1961 entwickelten sich die Geschicke der Kleinen Münsterländer Zucht sehr wechselvoll. So separierte sich z.B. in den Zwanziger Jahren bis nach dem zweiten Weltkrieg Edmund Löns, weil er unterschiedliche Auffassungen über eine konsequente Leistungszucht bei den Kleinen Münsterländer hatte. Er gründete einen eigenen Verein, den er „Deutschen Heidewachtelklub“ nannte. Letztlich konnte sich dieser Heidewachtelklub jedoch nicht in Deutschland durchsetzen. 1961 integrierte er sich endgültig in den ursprünglichen Gründungsverband, der die Zucht seit 1912 betreut und weiterentwickelt hatte. Es war den Heidewachtelfreunden in den 30 Jahren seit der Gründung des Klubs nicht gelungen, die notwendige breite Zuchtbasis zu entwickeln und den Verein zusammen zu halten. Die politische Teilung Deutschlands führte 1952 dazu, dass unter der Leitung von Otto Capsius in der DDR die „Spezialzuchtgemeinschaft KlM“ gegründet wurde. 1990 wurde auch diese Gruppe, die die Zucht der Kleinen Münsterländer im Osten Deutschlands zwei Jahrzehnte professionell betreute, wieder mit dem ursprünglichen Gründungsverband zusammengeführt und damit integriert.
In der Rassezucht muss man in vielen Hundegenerationen denken und arbeiten. Erfolge und Misserfolge wechseln sich regelmäßig ab und es dauert sehr lange, bis eine Rasse ein verlässliches und gesundes Profil in Leistung und Körperbau entwickelt hat. Auch bei den Kleinen Münsterländer gab es jahrzehntelang zahlreiche Probleme, Hoffnungen und Enttäuschungen bei Züchtern und bei Führern. Unzählige Zuchtversuche, Kreuzungen und Fehlschläge waren nötig, bis sich vor etwas 50 Jahren eine stabile, breite und gesunde Zuchtbasis entwickelte. Die typischen Rassemerkmale festigten sich und führten zu dem Rasseprofil des mittelgroßen, langhaarigen vielseitigen und intelligenten Kleinen Münsterländers, der noch heute sowohl passioniert jagen kann als sich auch daheim in seiner Familie wohlfühlt. Auch Erbkrankheiten, wie z.B. Epilepsie oder HD wurden durch konsequente und langfristige Zuchtstrategien erfolgreich behandelt. Eine wichtige Rolle spielt in der gesamten Zuchtsteuerung seit über 20 Jahren die elektronische Datenverarbeitung. Unsere Datenbank „dogbase“, in der ca. 45000 Kleine Münsterländer enthalten sind, ist bei der Wurfplanung der Züchter inzwischen zu einem unverzichtbaren Hilfsinstrument geworden. Das hat unter anderem auch dazu geführt, dass viele Züchter heute nicht mehr ihre Paarungen regional planen sondern deutschlandweit lange Reisen auf sich nehmen, um zum optimalen Deckrüden zu fahren. Das Angebot an interessanten und verlässlichen Daten für die Paarungsplanung der Züchter sowie die Zuchtsteuerung des Verbandes hat sich wesentlich verbessert. Die gesamte Administration und Zuchtbuchführung unseres Verbandes mit mehr als 5000 Mitgliedern ist ohne EDV heute nicht mehr denkbar.
Im Jahr 2004 hat die F.C.I. den zurzeit noch gültigen Rassestandard Nr. 102 beschlossen und bei dieser Gelegenheit auch den offiziellen Namen der Rasse in Kleine Münsterländer geändert. Durch den Wegfall der Bezeichnung „Vorstehhund“ sollte auch das vielseitige Profil der Rasse im Internationalen Standard betont werden.
Die Kleinen Münsterländer haben in Deutschland sehr lange gebraucht, bis sie von allen Jägern als vollwertige, leistungsstarke Jagdhunde akzeptiert wurden, welche auf dem gleichen Niveau arbeiten können wie die anderen vielseitigen Jagdgebrauchsrassen. Kleine Münsterländer beweisen täglich ihre hohe jagdliche und soziale Anpassungsfähigkeit an die unterschiedlichsten Arbeits- und Lebensbedingungen. Dieses wollen wir im Mutterland und in allen internationalen Zuchtclubs bewahren und weiterentwickeln. Edmund Löns hat dieses Ziel einmal in den schönen Vers gebracht:
„Im Schilfwasser heute und morgen im Feld,
Im Walde verwiesen oder verbellt,
Raubzeug gewürgt, das Verlorene gebracht,
das ist es, was den Gebrauchshund macht!“